Controller als Business Partner des Managements stehen mit dem Ausbruch der Covid19-Pandemie seit 2019 und dem Ukraine-Krieg vor besonderen Herausforderungen. Wie soll gesteuert, wie geplant werden? Ich will gar nicht den Begriff der VUCA-Welt und die Resilienz von Organisationen in den Raum stellen. Wobei aktuell Resilizienz mit Sicherheit wichtiger ist als Effizienz.
Die Entwicklung von Szenarien (oder Zukunftsbildern) als Denkrahmen für unternehmerische Entscheidungen können hier hilfreich sein. Denn ein besseres Bild der Zukunft ist eine Voraussetzung dafür, diesen Krisen planerisch zu begegnen. Allerdings sollten die Szenarien über ein Fortschreiben der Vergangenheit und über die Einteilung in worst, real und best hinausgehen. Dazu hier ein paar Überlegungen:
Gute Szenarien als Schlüssel für Entscheidungen
Die Berücksichtigung von Trade-offs oder das Vorhalten von Ressourcen (FTE und Budget), die für das Tagesgeschäft nicht gebraucht werden, könnten ein Ansatz sein. Diese können bei unerwarteten Ereignissen helfen, Ideen zu generieren, um so mit den Folgen von Krisen besser umzugehen. Resilizienz statt Effizienz!
Trade-off-Analysen machen nur dann Sinn, wenn sie mit einem Zukunftsbild verbunden sind. Zusätzliche Ressourcen sind nur dann gut, wenn definiert ist, wo (und wie lange) sie vorgehalten werden sollen. Auch hierfür ist ein Zukunftsbild wichtig.
Zukunftsbilder – oder Szenarien – spielen eine entscheidende Rolle, um die unternehmerischen Entscheidungen in Krisenzeiten zu meistern. Aber was sind in diesem Zusammenhang gute Szenarien?
Szenarien sind dann gut (oder können dann gute Zukunftsbilder liefern), wenn sie:
- dazu anhalten, unkonventionell zu denken und Prämissen sowie eingefahrene Denkrichtungen (Bias) gezielt zu hinterfragen;
- Interdependenzen berücksichtigen und mehrdimensional angelegt sind;
- eindeutig genug formuliert sind, um Entscheidungen daran zu orientieren;
- modular und vernetzt konstruiert sind, um im Zweifel schnell von einem Szenario auf ein anderes umsteigen zu können.
Das heißt auch, dass ein Szenario oder drei nicht reichen. Am besten ist es mit Dimensionen zu arbeiten, so das mehrere Szenarien entstehen, die unterschiedliche Zukunftsbilder beschreiben.
Man nehme zwei Dimensionen (oder geschäftskritische Ungewissheiten), die die zukünftige Entwicklung des Unternehmens bestimmen. Werden die Dimensionen gekreuzt, entstehen vier unterschiedliche Zukunftsbilder – oder eine Szenario-Matrix mit vier Feldern, von denen jedes Feld eine unterschiedliche Zukunft beschreibt (Schwenker/Dauner-Lieb (2017):
Das könnten aus der Sicht des Controlling und der unternehmerischen Perspektive die folgenden Dimensionen sein:
Rückkehr zur politisch-ökonomischen Stabilität
Führen längere oder wiederholte Lockdown-Phasen sowie der Ukraine-Krieg zu politischer Instabilität, die auf die Märkte übergreift und Vertrauen nimmt, sodass die wirtschaftliche Aktivität nur langsam Fahrt aufnimmt? Oder gelingt es doch relativ schnell, die Pandemie und die Energiewende in den Griff zu bekommen und das Vertrauen der Märkte so zu festigen, dass sich relativ schnell wieder eine Wachstumsdynamik einstellt?
Verhaltensänderung von Kunden
Verändern wir unsere Routinen oder fallen wir in alte Verhaltensmuster zurück, wird Nachhaltigkeit wichtiger, setzen sich Online-Handel und Videokonferenzen vollends durch, fliegen wir weniger und arbeiten mehr von zu Hause?
Diese zwei Dimensionen ergeben einen Szenario-Matrix mit vier denkbaren Zukunftsbildern, die die Ungewissheiten darstellen
Szenario 1 („Heile Welt“) = Schnelle Wiederherstellung von Stabilität und Vertrauen, keine nachhaltigen Verhaltensänderungen
Im Prinzip bleibt alles beim Alten. Grundlegende Strategieänderungen sind nicht notwendig; der Fokus liegt vor allem auf dem Überbrücken der (kurzen) Zeit, die es braucht, bis alte Volumina wieder erreicht sind.
Szenario 2: („Neue Horizonte“) = Schnelle Wiederherstellung von Stabilität und Vertrauen, mit
Verhaltensänderungen
Verändert sich das Verhalten, eröffnen sich neue Chancen für neue Geschäftsmodelle, da Stabilität und Vertrauen schnell wiederhergestellt werden und so Wachstumsdynamik erzeugen.
Szenario 3: („Tal der Tränen“) = Lange Phase der Instabilität und des fehlenden Vertrauens, ohne Verhaltensänderungen
Das Szenario basiert auf einer tiefen Rezession, politischen Instabilität und eine weitere Abschottung. Bestehende Strategien und Geschäftsmodelle sind insbesondere für global vernetzte Unternehmen bedroht; Downsizing und das Umstellen auf nationale Wertschöpfungsketten kann/wird notwendig.
Szenario 4: („Zerreißprobe“) = Lange Phase der Instabilität und des fehlenden Vertrauens, mit Verhaltensänderungen
Eine lange Wirtschaftskrise geht einher mit Verhaltensänderungen, die bestehende Geschäftsmodelle zusätzlich infrage stellen. Da hier Downsizing und Innovation gleichzeitig stattfinden müssen, werden viele Unternehmen vor einer Zerreißprobe stehen.
Diese Szenarien sind (noch) sehr grob entwickelt. Aber das Prinzip wird deutlich:
Es ergeben sich vier denkbare Zukunftsbilder, von denen keines auszuschließen ist. Jedes davon kann und sollte weiter durchdacht, detailliert und konkretisiert werden. Und natürlich dafür Strategien, Pläne und Maßnahmen zu deren Umsetzung entwickelt werden!
Vorteil dieses Ansatzes
- Man kann sich für eines (der vier) Szenarien entscheiden und trotzdem ständig im Blick haben, dass die Zukunft anders aussehen kann.
- Man kann die Strategie, die sich aus dem ausgewählten Szenario ergibt, mit den anderen drei Szenarien konfrontieren, um ein Gefühl für die Resilienz zu entwickeln. Gerade das erscheint angesichts der Ungewissheiten sehr hilfreich zu sein.
- Es kann hilfreich sein, die bestehenden Geschäfte und Kompetenzen an allen (vier) möglichen Szenarien zu spiegeln, um Ansätze für ein robustes Portfolio zu entwickeln. Denn gerade unter Ungewissheit ist eine Vorbereitung auf alle Eventualitäten wichtig.
Ein genereller Vorteil dieses Vorgehens kommt noch hinzu:
Schon die Ableitung der (zwei) Dimensionen schafft ein Bewusstsein für Ungewissheit und schärft die Sensibilität für ungewisse, überraschende Entwicklungen. Sie erfüllt ihren Zweck aber nur dann, wenn um die „richtigen“ Dimensionen ernsthaft und kontrovers diskutiert wird. Wichtig ist dabei die Balance zwischen Kreativität und Stringenz zu finden. Folgende Vorgehensweise kann dabei hilfreich sein:
Orientierungspunkte suchen.
Szenario-Dimensionen lassen sich ableiten aus dem
(1) ökonomischen Umfeld (z.B. mögliche Wachstumspfade);
(2) der geopolitischen Stabilität (z.B. Krisen, Kriege, Handelsbeziehungen, Institutionen);
(3) der technologischen Entwicklung (z.B. Tempo der Digitalisierung);
(4) das rechtliche/politische Umfeld (z.B. Regulierung, politische Initiativen wie EU-Taxonomie);
(5) das soziale Umfeld (z.B. Einstellungen, Wertewandel).
Es gilt dann diese Themenfelder zu diskutieren und zu priorisieren, um die entscheidenden Dimensionen einzugrenzen.
Relevante Effekte aufdecken.
Welche Faktoren oder Entwicklungen haben die größte Wirkung und/oder tragen besonders zur Ungewissheit bei?
Es sind meist zwei Themenbereiche sind, die am häufigsten vorkommen und inhaltlich am meisten ungewiss sind, die Politisch-ökonomische Stabilität und Verhaltensänderungen.
Die Dimensionen festlegen.
Hier sind es zwei szenariorelevante Dimensionen politisch-ökonomischer Stabilität und Verhaltensänderung die zwei Dimensionen zu sein, die auf dieser Ebene die Corona-Ungewissheit am besten einfangen – und die, wie wir gesehen haben, zu vier echten Zukunftsbildern führen können.
Die hier aufgeführten Methoden sind natürlich sehr qualitativer Natur. Werden die Szenarien quantifiziert, dann lassen sich damit in Excel-Modellen mit Hilfe der Szenariotechnik Business Cases, bzw. Szenarien „durchrechnen“.
Die hier beschriebene Vorgehensweise haben wir in unsem Seminar Szenarien und Simulation in Excel integriert. Möchten Sie lediglich etwas über die Technik des Szenario-Managers erfahren, so können Sie diesen im Seminar Excel im Finanzwesen und Controlling kennenlernen.
Literatur
Schwenker, Wulf (2013), Scenario-based Strategic Planning – Developing strategies in an uncertain world, Wiesbaden
Albers, Ballwieser, Schwenker, Weißenberger (2020), Erfolgsfaktor BWL,
Schwenker, Dauner-Lieb (2017), Gute Strategie. Der Ungewissheit offensiv begegnen, Frankfurt am Main