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Rainer Pollmann

HR-Controlling als Brücke für ganzheitliche und erfolgreiche Unternehmenssteuerung

Wer auf dem 48. Congress der Controller genau hinhörte, dem fiel auf, dass Human Resources unausgesprochen an Bedeutung gewonnen hat oder noch gewinnen wird. Seit etwa 10 Jahren gibt es bereits den „War of talents“, inzwischen ist der Fachkräftemangel ein Dauerthema in den Unternehmens News. Dieser Mangel erschwert oder verhindert sogar die Ausweitung von Geschäftsmodellen und kann nur bedingt durch Kapital substituiert werden. Damit sind bereits zwei der nach E. Gutenberg direkt an der Produktion beteiligten Elementarfaktoren genannt, die Unternehmensführung und  – als Unterstützer-  das Controlling als dispositiver Faktor kommen hinzu. Die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für die Geschäftsmodelle von Unternehmen stellen Personalabteilungen vor besondere Herausforderungen. Sind diese doch für die Beschaffung, den Erhalt und die Disposition dieses wichtigen Faktors verantwortlich. Oder weniger betriebswirtschaftlich ausgedrückt soll HR:

  • Menschen für Unternehmen gewinnen und einstellen (Recruiting)
  • Menschen im Unternehmen halten (Retention)
  • Menschen weiterentwickeln (Development)
  • Menschen fair behandeln und entlohnen (Culture & Pay roll)

Mit Mitarbeitern die Transformationen bewältigen

Denn Unternehmen müssen Transformationen bewältigen, die VUCA-Welt meistern, agil und im Geschäftsmodell resilient werden angesichts der Unwägbarkeiten.

Angesichts dessen, dass Arbeitnehmer andere Ansprüche an Unternehmen stellen, bevor sie ihre Arbeitsleistung verkaufen, werden unterschiedliche Arbeitszeitmodelle benötigt, müssen Unternehmen glaubhaft nachhaltig agieren, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2022 zeigt.

Die Transformationen setzen andere Skills und Rollen voraus, Hierarchien und die Formen der Zusammenarbeit ändern sich und damit auch die Steuerung dieses Bereichs.

HR-Controlling sollte daher nicht ausschließlich aus Planung und Kontrolle von Personalkosten und FTE/Headcounts sowie Kennzahlen zu Fluktuation und Krankenstand bestehen. Denn die Bedeutung von Mitarbeitern für den Erfolg von Geschäftsmodellen und damit dem Unternehmenserfolg ist offensichtlich. Die Zeiten, wo ein Beitrag zum Unternehmenserfolg darin bestand, die Personalkosten zu senken, sind vorbei. Wieder rein betriebswirtschaftlich gesprochen, handelt es sich bei Mitarbeitern um eine wertvolle Ressource, die nicht erworben, nicht bilanziert werden, sondern nur temporär gemietet werden kann. Daher ist es vielleicht besser, nicht von Human Capital zu sprechen, sondern von Human Vermögen, wie es der Internationale Controller Verein in seiner Initiative Moderne Wertorientierung getan hat (Schmidt et al. 2025). Dieses Human Vermögen ist ein wichtiges Erfolgspotenzial aus der Sicht der strategischen Unternehmensführung. Für dieses Erfolgspotenzial werden angesichts der Möglichkeiten von KI neugestaltete Prozesse für Onboarding, Retention und Offboarding benötigt.

Denn wenn man Mitarbeiter nicht halten kann, sollten sie als „Freunde“ gehen. Angesichts der Möglichkeiten, die heutzutage jeder Mitarbeiter hat, sich über die Sozialen Medien mitzuteilen, können hier Chancen & Risiken für Image, Reputation und letztlich das Employer Branding entstehen.

Abbildung 1: : Erfolgsdimensionen des Unternehmens (Pollmann, 2023, in Anlehnung an Gälweiler 2005 und Will 2007)

Aufgaben für das HR Controlling

Controllern wird nachgesagt, sie würden gerne messen, finanzielle Maßstäbe anlegen und laufend neue Kennzahlen „produzieren“. Der ICV hat eine andere Vorstellung von dem, was Controlling ausmacht, das  zeigt das Schnittmengenbild. Tatsächlich beschränkt sich in vielen Unternehmen das Personalcontrolling auf das Messen und Planen von Personalkosten und FTE/HC. Wenn man Controlling als Steuern mit messbaren Zielen versteht, Controller hauptsächlich in finanziell messbaren Kategorien denken, dann wird HR-Controlling angesichts der Herausforderungen schwierig und sollte neu oder anders gedacht werden. Dieser Herausforderung stellt sich der Fachkreis HR-Controlling des ICV.

Es gilt Steuerungsgrößen und Ansätze zu finden, die zeigen, das HR im Hinblick auf die Herausforderungen auf dem richtigen Weg ist. Dazu einige Beispiele

Mitarbeiterzufriedenheit

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fordert von Unternehmen zukünftig auch den Ausweis von nichtfinanziellen Metriken auf der Basis von Wesentlichkeitsanalysen für wichtige Stakeholder. Eine wichtige Stakeholdergruppe sind die Mitarbeiter für die ein Mitarbeiterengagement ausgewiesen werden soll. Die Ermittlung dieser Metrik muss publiziert und von Wirtschaftsprüfern zukünftig testiert werden.

Dies könnte auch eine zukünftige Aufgabe von HR-Controllern sein.

People Analytics erweitert das Controlling um wichtige mitarbeiterbezogene Daten. Es kann hier helfen den Einsatz von Mitarbeitern zu messen und zu fördern, indem Umfragedaten, Mitarbeiter-Feedback und Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen analysiert werden. Diese Daten helfen, die Anreize des Mitarbeiterengagements zu verstehen und gezielte Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit zu entwickeln. Aber auch die internen Kommunikationstools und -plattformen können mit Zustimmung des Betriebsrates anonymisiert auf die Befindlichkeiten von Mitarbeitern untersucht werden.

Wert der Mitarbeiter transparent machen (cost of vacancy)

Ein langwieriger Einstellungsprozess ist einer der häufigsten Gründe, warum Bewerber abspringen und die Besetzung von Stellen unnötig lange dauert. Erfahrungen zeigen, dass häufig die Führungskräfte, die das finale Einstellungsgespräch führen, zu lange für Ihre Entscheidung brauchen. Welcher Schaden entsteht dadurch, kann man finanzielle Folgen messen?

Den Cost of Vacany (CoV) liegt die Annahme zugrunde, dass jeder einzelne Mitarbeiter einen quantifizierbaren Anteil am Unternehmensumsatz erwirtschaftet (siehe Sullivan) . Dieser Anteil am Gesamtumsatz fehlt oder fällt weg, wenn es den Mitarbeiter nicht gibt. Die Messgröße kann eingesetzt werden um den finanziellen Erfolg von Recruiting Maßnahmen (Kampagnen, Events, ganz allgemein HR-Kommunikation etc.) zu ermitteln. Damit wird dieser Prozess steuerbar

Cost of Vacancy (CoV) = Jahresgehalt /Ø Arbeitstage * Faktor * Ø Dauer des Recruiting

Investition in die Ressource sichtbar machen (Human Capital)

Der ROI ist eine beliebte Messgröße, um die Kapitalrentabilität von Investitionen transparent zu machen. Wenn Mitarbeiter als Ressource in die investiert werden sollte betrachtet werden, dann hilft hier der ROI nicht weiter. Stattdessen könnte der ein Human Capital-Ansatz wie die Saarbrücker Formel weiterhelfen.

Das Ziel dieses Steuerungsansatzes ist es, Mitarbeiter als wichtige „Enabler“ für die betriebliche Wertschöpfung „sichtbar“ zu machen und in den (finanziellen) Kategorien des Controllings einen Steuerungsansatz zu finden.

Die drei Komponenten der Saarbrücker Formel beschreiben verschiedene Ansatzpunkte zur Optimierung des Humanvermögens.

  1. Marktkomponente
    Die Mitarbeiter verschiedener Beschäftigtengruppen werden gemäß ihren tatsächlichen Beschäftigungsverhältnissen als Full-Time-Equivalents (FTE) ausgewiesen und diese dann mit dem für die Beschäftigten durchschnittlich am Markt üblichen Gehalt (L) multipliziert.
  2. Buchhaltungskomponente
    Das Wissen von Mitarbeiter kann sehr schnell nicht mehr aktuell sein. Bei Maschinen würde mit der Dauer der Laufzeit eine Abschreibung erfolgen. Daher wird die beschäftigtengruppenspezifischen Wissensrelevanzzeit (w) ins Verhältnis zur durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit (b) gesetzt. So soll dargestellt werden, wie lange das aktuelle Wissen der Mitarbeiter wertschöpfungsrelevant bleibt. Mit Personalentwicklungsmaßnahmen kann das Wissen auf einem notwendigen Niveau erhalten oder erweitert werden und führt zu einer (nicht aktivierungsfähigen) „Wertsteigerung“.
  3. Indikatorenkomponente
    Hier wird die Mitarbeitermotivation (M) ermittelt, die sich aus drei „weichen Faktoren“ zusammensetzt.
    1. Commitment als Ausdruck der Bereitschaft der Mitarbeiter, sich für die gegenwärtige Aufgabe einzusetzen,
    1. Context als Sammelbegriff für diverse Aspekte der Arbeits- und Führungssituation, also Rahmenbedingungen der Arbeit und Führungskultur
    1. Retention als Neigung der Mitarbeiter sich längerfristig an das Unternehmen zu binden.

Abb. 9: Saarbrücker Formel (Quelle: HS Luzern Controlling Controlling-wiki) https://wiki.hslu.ch/controlling/Saarbr%C3%BCcker_Formel

Fazit

Das sind nur zwei von vielen Methoden, mit denen der Wert von Mitarbeitern transparent gemacht werden kann. Wichtig ist, das Wertansätze auch beeinflussbar sein können. Wird fortgesetzt….

Literatur:

Bertelsmann-Stiftung,  (2022) Studie Nachhaltigkeit aus Sicht der Arbeitnehmer:innen, https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/nachhaltigkeit-aus-sicht-der-arbeitnehmerinnen letzter Abruf 1.5.2024)

Schmidt, Walter (Hrsg.) (2015): Moderne Wertorientierung, Leitfaden des Internationalen Controller Verein, Freiburg: Haufe.

Sommerer Jan: Übertragung des ICV-Wirkungsstufenmodells auf das Personalcontrolling: Eine empirische Untersuchung der Wirkungsorientierung bei den DAX30. In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Heft 4/2018, S. 472–494,

Sullivan, John (2005): Cost of Vacancy Formulas for Recruiting and Retention Managers. https://drjohnsullivan.com/uncategorized/cost-of-vacancy-formulas-for-recruiting-and-retention-managers/ (letzter Abruf 21.04.2024).

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